Dieses Bild spricht Bände.
Ich bin gerade mit einem neuen Trümmi unterwegs, als das Handy mich und meinen kleinen Erfolg mit Sam wieder auf den Boden der Tatsachen holt.
Wir müssen ein Feld auf unserem Aufnahmeformular hinzufügen, denn heute haben wir das tausendste Fundtier bei uns aufgenommen.
Das -F- steht ausschließlich für Fundtiere, ein Rekord mit großem Abstand zu allem Bekannten hier. Ein für uns so trauriger Rekord, denn über 96% der Fundtiere werden nicht wieder abgeholt. Wir päppeln sie auf und suchen ihnen ein neues Zuhause.
Nimmt man all die anderen Tiere dazu – die Abgegebenen, die Beschlagnahmten, die Ausgesetzten, die Notunterbringungen, usw. – haben wir bereits jetzt die Marke von 2000 Tieren geknackt. Unser Rekord lag bei 2001 Tieren innerhalb von 365 Tagen. Doch 2023 ist noch lange nicht vorbei.
Zugegeben, dass es bald so weit sein würde, war mir irgendwie klar. Die Zahlen haben wir im Blick und mit voller Kraft (sieben Tage die Woche geöffnet während der Herbstferien, Wochenendaktionen, usw.) versuchen wir, gegen diese Entwicklung anzusteuern und allen Tieren gerecht zu werden. Aber ich schaue weg, weil es mir Angst macht. Weil ich nicht weiß, wie dieses kleine Tierheim das alles tragen soll – von den Finanzen bis hin zur Kraft meiner Angestellten.
Und nein, ich werde das Feld im Formular nicht ändern. Ich möchte, dass dieses Team es weiter ummalt. Denn jedes Mal, wenn ihr dieses Kästchen zeichnet, wird klar, dass es eure Leistung ist, dass wir noch immer da sind. Viele Tierheime sind bereits unter der Last zusammengebrochen. Viele verhängen ein Aufnahmestop, selbst für Fundtiere. Wir nicht. Ihr macht weiter, ihr kämpft. Ihr steht bereit, vermittelt, nehmt boxenweise Katzenwelpen mit nach Hause, ertragt Schmerzen, wenn der Kampf verloren ist und findet im Wahnsinn vor Ort wieder den Fokus – freundlich, geduldig und nett bedient ihr den nächsten Interessenten, zieht euch zum Weinen in die Umkleide zurück. Ihr seid übermüdet, ihr seid am Ende. Seit Monaten hoffen wir, dass die Welpensaison und das ganze Katzendrama ein Ende findet und sich langsam wieder normale Zahlen in unseren Auswertungen zeigen. Doch bis jetzt passiert da nichts. Also krempelt ihr die Ärmel hoch, trinkt den nächsten Energydrink und macht weiter. Keiner von euch hat aufgegeben, jeder steht diesem Tierheim und diesen Tieren auch in dieser dunklen Zeit treu zur Seite.
Ja, es ist ein absolut trauriger Rekord, der nun an einer harten Zahl faktisch wird. Aber es ist vor allem ein Rekord an Liebe und Kampfbereitschaft von diesem Team, niemanden im Stich zu lassen. Danke, liebes bestes Tierheim Oldenburg Team aller Zeiten.
Dass ihr dieses Feld dazu malt, soll nicht die Normalität werden, aber dass wir es können, liegt an jedem von euch.
Mein Team soll es als Auszeichnung sehen, für alle anderen darf es gerne ein Mahnmal sein. Was in deutschen Tierheimen zurzeit passiert, ist wirklich nicht mehr in Worte zu fassen – und das im Jahr 2023.
Kastriert, kennzeichnet und registriert eure Tiere.