1/24: Rückspiegel

Die alte Lady und der betrunkene Leuchtturm

„Deine Sorgen machen hässlich!“ rufe ich dir zu, während ich endlich den Parkplatz verlasse. Im Rückspiegel sehe ich zu dir zurück, du auf der rechten Seite des Spiegels, stehst da so ruhig, meine alte Lady, mein Tierheim Oldenburg.

Links im Spiegel, verschwommen, ich. Ich fixiere meinen Blick auf mein Gesicht. Es ist in die Jahre gekommen, heute leer, lange schon müde. Ich, dein betrunkener Leuchtturm, keine gute Aussicht für diese Nacht.

Ehrlich, es gibt nichts Schöneres, als endlich irgendwo mit dir angekommen zu sein. Heute wohl in der Wut. Ich bin zumindest inzwischen geübt darin, ein wenig die Hoffnung zu haben, dass die Sorgen von heute morgen wieder temporär verdorben sind. Da kommen schon frische neue dazu…

„Was mich eigentlich noch an dir hält?“ Ich tue mir selbst leid, wie ich da sitze und mir schon wieder nichts einfällt.

Ich fahre stadteinwärts. Links die Blaue Lagune im Nebelschleier – aka Aral-Tankstelle. Ich halte an, weil ich mal wieder aufgehört habe, mit dem Rauchen aufzuhören.

Uwe begrüßt mich mit irgendeinem Geschimpfe über irgendetwas. Wie Uwe wirklich heißt, weiß ich gar nicht. Ich kann mir eh keine Namen merken, also denke ich mir immer welche aus, ich weiß auch nicht wieso… Ich kann ihm nicht zuhören, denn heute bin ich auf der Selbstmitleid-Überholspur. Irgendwann falle ich ihm ins Wort: „Einmal Luckys.“

„Weiß ich doch.“

Ich schaue ihm im grellen Neonlicht der Tankstellen-Romantik direkt ins Gesicht.

Habe ich noch nie gemacht, fällt mir auf.

„Sag mal, was magst du an deinem Job?“

„Immer ein guter Schnack mit den Leuten.“

Danke, Uwe, danke! Wie schön, dass auch du verloren bist. Ich hätte dich sonst sehr vermisst.

Mir wird klar, alte Lady, dass wir heute Nacht reden müssen. Über all das mit dir und uns. Früher, als ich es wollte. Setz dich hin, meine Lady. Ich weiß, dass das mit uns heute an mir liegt. Es geht um diese Momente:

Verena kommt ins Büro: „Komm mal schnell!“

Ich raunze sie an: „Dass ich nicht mal eine Minute in Ruhe arbeiten kann…“ Ich blicke genervt hoch.
Verena kreidebleich, ein Häufchen Elend im Arm.

„Was zur Hölle!“