Innerhalb von zwei Monaten haben wir über 70 Katzen aus drei Beschlagnahmungen aufgenommen. Die Bilder bei den Einsätzen zeigen ein krasses Bild unserer Gesellschaft. Psychisch ist dies ein hoher Druck und eine unheimliche Belastung für uns als Mitarbeiter. Wir sehen verstorbene Tiere, für die jede Hilfe zu spät kommt, aber auch die Menschen, die dort „leben“ – meist vereinsamt und voller Überzeugung im Guten zu handeln.
Bis in einer 25 m² Wohnung aber 30 Katzen leben, vergeht viel Zeit. Viel einsame Zeit. Ein Problem ist selten auf einmal da. Wenn wir kommen und es heißt: „Zugriff“ – wissen wir inzwischen, dass dieses Wort bedeutet, dass das, was wir in den nächsten Minuten sehen werden, uns viele schlaflose Nächte oder unendlich viele Fragen über unsere Gesellschaft kosten wird. Wir müssen uns dann zusammenreißen und uns von dem Schock und den Eindrücken nicht lähmen lassen.
Mit Gasmasken und Schutzanzügen sehen wir durch Schutzbrillen Wohnungen, in denen eigentlich kein Mensch mehr Leben kann, Wohnungen wie in einem Alptraum. Amoniakausdünstungen, die trotz Maske nicht auszuhalten sind, Hitze ausgehend von den Bergen an Müll, Exkrementen und Urin, die Wände schwarz vor Fliegenlarven. Und dann, mit Tränen in den Augen, dem Geräusch des Ein- und Ausatmens der Gasmaske, muss man funktionieren. Man will das alles nicht wahrhaben und es eigentlich nicht sehen müssen. Box für Box trägt man die verängstigten und verwahrlosten Katzen nach draußen, unter Bergen von Müll und Kot hört man Katzenbabys nach ihrem Muttertier schreien, drei sind noch am Leben, eines ist tot – man zählt sonst nicht mit. Verdurstete Tiere werden aus gestapelten Kaninchenkäfigen geholt, immer wieder versucht man den Überblick zu behalten: „rechts drei , links bei dir, unterm Tisch, rot-getigert….“ Nach einer Stunde geht man hinaus, in der Hoffnung, dass man in diesem undurchsichtigen, surrealen Moment alle Tiere eingefangen hat.
Draußen stehen die Kollegen des Veterinäramts und machen sich ein erstes Bild von den Tieren. Man lädt die Tiere ein und fährt ins Tierheim. Ein Mitarbeiter fährt direkt in die Tierklinik – ein Kater hat vor lauter Stress einen Krampfanfall. Während der Fahrt dann eine beängstigende Stille. Keiner ist in der Lage, etwas zu sagen. Alle schweigen. Selbst darüber nachdenken tut man nicht – es ist einfach so ungewohnt unbewohnt in einem. Im Tierheim angekommen geht die Arbeit weiter. Allgemeinzustand der völlig verängstigten Tiere checken, wer muss gleich zum Arzt, Krankheiten aufnehmen, Flohkur, Wurmkur, Test auf FIV und Leukose, die Stuben umräumen, Platz schaffen, Strukturen organisieren. Keiner weiß vorher, wie viele Tiere es sind. Momente auf die man sich nicht vorbereiten kann. Man kann nur reagieren, so gut es geht.
Bei all dem Stress bleibt man ganz ruhig und behutsam – nimmt sich jeder Katze an. Die einen räumen um, die anderen päppeln die Welpen und suchen das passende Muttertier, ein anderer Trupp kümmert sich um die „Kritischen“, dann befreit man einige Tiere von Kot und Urin oder von verfilztem Fell. Nebenbei geht aber der ganz normale Alltag weiter.
Spät abends, Zuhause angekommen, will man nur noch duschen, alles abschütteln. Man denkt an die 30 Katzen, die aus ihrem Mikrokosmos gerissen wurden und nun versteinert, teilweise zu fünft aneinander gekauert in ihrer Transportbox sitzen.
Unser Tierheim hat Platz für 120 Katzen. Wir mussten 70 Katzen zusätzlich aufnehmen. 70 Katzen, die lange brauchen werden um ein neues Zuhause zu finden. 70 Katzen die erst einmal wieder Vertrauen zum Menschen fassen und gesund werden müssen.
Jeder der uns helfen möchte, kann dies, mit der heute wirklich großen „Bitte“ unsererseits, in Form von Katzennassfutter tun.
Helft uns, auch morgen die Tür aufzuschließen und nicht aufzugeben, in dieser manchmal kalten,