Mit stark geröteten Augen kommt Nessi mir entgegen…“ hast du es schon gehört?“ Sie schließt die Tür hinter sich und fängt an, klar, gefasst und gleichzeitig völlig aufgelöst, zu erzählen. Das muss man erstmal schaffen. Das lernt man leider als Tierpfleger. Allzu oft hoffe ich, dass alles seine Zeit hat und meine Mannschaft hier den ganzen Kram verarbeitet bekommt. Denn ohne diese Menschen wäre es wirklich nur eine Verwahranstalt. Ein ganz normaler Ort. Ein Tierheim. Ohne Herz. Ein weiterer dieser besonderen Menschen ist Mike, unser Hundetrainer. Pablo, du warst einer seiner Lieblingsfelle, er hat sich mit 180 % Leidenschaft um dich gekümmert. Ich greife zum Hörer und rufe Mike an, er ist auf den Weg zu dir in der Klinik. „Hey Mike, ich könnte jetzt losfahren und dazu kommen…“ „Danke, aber ich möchte das gerne alleine machen, wenn es okay für dich ist.“ In diesem Moment ist alles okay, was mit Liebe zu tun hat. Es gibt kein richtig, kein falsch. Nicht von Euch liebes Team. Aber vielleicht müssen wir hier nochmal ganz deutlich über ein Thema reden.
Ich gehe nach hinten, das Tierheim hat diese bedrückte Stille. Vor ihrem Spind in der Umkleide sitzt Anne. Tränenüberströmtes Gesicht. Ich kehre um, weil ich sie nicht stören will. „Dominic?“ Ich drehe um… „Schreibst du ein Text über Klopsi?“ (So wurdest du im Team liebevoll genannt.) „Ähh, vielleicht, warum? Also, wir müssen ihn ja auch von der Homepage nehmen.“ „Kannst du bitte erwähnen, dass diese Qualzuchten einfach der allerletzt Scheiß sind, damit das hier irgendeinen Sinn ergibt?“ Ich schaue sie an und sehe in ihre verzweifelten Augen, sehe den Versuch, nach diesem Schockmoment irgendetwas zu sortieren, weil man weiß, dass man in zwei Minuten weiter machen muss. Weil da eben über 180 Tiere sitzen, die niemanden haben, wenn dieses Team nicht alles gibt. Und ich wünsche mir einmal mehr, dass bitte verdammt nochmal alles seine Zeit.
Jaymee steht vor mir. Jaymee, mit der ich noch vor 30 Minuten lachend im Flur stand. Jaymee, drittes Lehrjahr. Hat den gesamten Hundebereich mit übernommen. Nichts besseres konnte unseren Hunden passieren. Jaymee, die jede Sekunde darum kämpft, ihrem Bereich gerecht zu werden. Jaymee mit diesen Augen, die Energie und Leidenschaft ausstrahlen, für ihre „Doggos“, für ihr Tierheim. Diese Jaymee steht mit kleinen runden Augen vor mir. „Bist du sehr traurig?“ Frage ich völlig unbeholfen. Was soll die Antwort sein? Sie schaut mir in die Augen und man spricht miteinander, ohne ein Wort zu wechseln… „Ich möchte ihn nicht sehen, wenn er gleich wiederkommt.“ 10 Minuten später stehe ich vor ihr: „Jaymee, ich mach das gleich. Aber es ist dein Bereich. Und es gehört dazu.“ Ein harter Satz, eine harte Realität. Ein kleines Mädchen mit so viel Verantwortungsbewusstsein und im Großversuch in Sachen Leben so stark. Lernt was es heißt, ein Teil dieses Tierheims zu sein. Willkommen in der nächsten Runde im Kampf um den Verstand. Ich hoffe, alles hat seine Zeit…
Pablo alias Klopsi. Die Polizei brachte dich zu uns, weil du an einem See angebunden warst. Du warst zwei Jahre alt! Gerade mal zwei verdammte Jahre. Und verdammte meine ich, wie ich es schreibe. Du warst so wild und so unglaublich lieb. Ein verrückter Frosch. Jeder im Team hatte riesen Herzchenaugen, wenn dein Name fiel. Du warst nun ein paar Monate bei uns. Dein Team stand für dich bereit, um ein Zuhause auf Zeit zu sein und für eine neue bessere Zukunft zu kämpfen. Aber von Geburt an trägst du ein Leid in dir. Deine Rasse und deine Zucht. Dein Gaumensegel, nenne wir es mal eher Lappen, drückte dir die Luft ab. Dein Kehlkopf und Hals, alles zu eng und zu klein. Noch ein heißer Sommer und zu viel Action, all dies hätte zu schnell zu einem Ende führen können. Nach vielen Empfehlungen und Untersuchungen war klar, dass eine OP unausweichlich wurde. Mike hat sich um alles gekümmert, brachte dich gestern hin. Soweit so gut. Bei der OP hast du schon viel Blut verloren, es war ein schwerer Eingriff. Also bleibst du lieber noch eine Nacht dort in der Praxis. Auch heute Morgen schien alles ok zu sein. Doch dann schwillt deine Wunde im Hals plötzlich an. Normalerweise alles kein Thema, wäre nicht alles an dir so überzüchtet, weswegen wir diese OP auch machen mussten. Es ging dann alles sehr schnell. Durch die Schwellung und die Enge in deinem Hals / Kehlkopfbereich war die Intubation kaum mehr möglich. Als Mike zu dir fuhr, reagierten deine Reflexe schon kaum noch. Wir wollten dich gehen lassen. Im Arm von deinem starken Mike. Doch es war zu spät, du hattest bereits losgelassen. Du bist eingeschlafen, kurz bevor Mike da war. Wir wollten dir Helfen und haben es nicht geschafft. Natürlich machen wir uns Vorwürfe, auch wenn die OP unausweichlich war.
Ich habe dich gerade mit Mike aus dem Wagen geholt. Heute Nachmittag geht es zum Tierfriedhof. Ich halte das aus. Ich muss. Und ich werde. Und ich hoffe, alle hier im Team neben mir auch. Auch wenn wir wissen, dass selbst der lauteste Text unsere Realität hier tagtäglich nicht ändern wird. Leider. Aber ich hoffe weiter, alles hat seine Zeit und irgendwann siegt die Einsicht, dass diese Zuchtformen einfach eine Qual sind!! Und sie neben dem unerträglichen Tierleid auch die Energie meiner Crew aufbrauchen. Es tut mir leid, wenn ich das so hart schreiben muss. Aber mein Team tut mir so unendlich leid und du Klopsi sowieso. Dafür sind wir nicht angetreten. Wir wollten dir eine neue bessere Zukunft schenken. Jetzt liegst du da, ganz friedlich und ruhig. Und ich versuche hier irgendetwas in die Tasten zu hauen. Um es zumindest ansatzweise im Namen von allen Annes, Mikes, Jaymees, Nessis und all den anderen tierliebenden Tierpflegern nicht wieder einfach zu ertragen.
Liebes Team, bleibt stark und so voller Liebe. Ich und die Menschen da draußen und vor allem unsere Bewohner, haben den größten Respekt vor Euch und eurer Kraft.
Klopsi, könntest du jetzt einfach bitte wieder nach Hause kommen…
Machs gut Digger, dein Dominic und deine dich liebende Crew.
