Ein Resümee an mein Baby.
Es ist ja nie so gewesen, dass ich dich nicht mag…
„Tierheim Oldenburg – du alte Lady. Ich freue mich auf 2015 – na komm schon“. Mit diesen Worten beendete ich das Resümee 2014. Tja, du dummes kleines Herz. Vielleicht inzwischen etwas geistig verfettet? Was treibt mich eigentlich dazu, dich noch immer so zu lieben und optimistisch zu sein? Dieses „ ich freue mich…“ – dieses „ na komm schon“ – es war noch oft in meinem Kopf und diese Sätze verformten sich dann zu einem kalten Schauer auf meinem Rücken. In jenen Momenten, als ich den kleinen Hund Lars neben seiner toten Schwester Frieda aus der Transportbox holte. In den Momenten, wenn der Tierarzt vor mir stand und mit dem Stethoskop in den Händen zu mir hoch schaut und nur leicht den Kopf schüttelt und mich ansieht und ich weiß – es heißt, wir haben es nicht geschafft. Letzte Woche, als ich mit Bobby an der Straße lief und er immer wieder wegsackte. Ich ihn mit Tränen wieder bewegen wollte, aufzustehen und im Büro.. auf dem Sofa.. mit Lisa und Beate. Der Moment, als es Zeit war, zu gehen. „na komm schon“??? „ Ich freu mich auf dich“??? – Was um alles in der Welt bewegt mich dazu, dir so etwas zu zurufen?
Doch gerade wenn die Hände zittern, ich mich so machtlos fühle gegen Schicksale, lächelst du mich immer wieder an und schenkst mir Kraft. Dort bei der Besprechung zum Beispiel. Da sitzt ein Team. Nein, da sitzen gute Menschen. Da sitzen eher Freude und Familienangehörige. Und es sind mehrere denn je. Es sind Menschen mit einem festen Job. Das ist auch mein Job und er liegt schwer auf meinen Schultern. Aber diese Menschen sind deine Seele, liebes Tierheim. Und diese Seele ist unbezahlbar. Sie ist die Heimat für Lars und Bobby. Und so überheblich das auch klingen mag… ich glaube ganz fest, dass ich niemand besseres hätte finden können für diese Seele. Ich konnte auch nicht immer alle halten. Und auch dies beschäftigt mich bis heute. Aber das ist nicht deine Rechnung, liebes Tierheim. Ich musste nie ein Tier alleine lassen. Das ist es, was wir geschafft haben.
Es ist ja nie so gewesen, dass ich dich nicht mag…
Zwei Bandscheibenvorfälle und einen Leistenbruch später, geht das mit den Ideen noch genauso gut, nur die Umsetzung wird schwieriger. Wenn man will, aber einfach nicht kann, dann steht man vor Problemen, die weit weg sind von: „na komm schon“. Dann beginnen Vorwürfe. Dann tust du mir einfach weh. Verschlungen wie in einem Kraken, in dir verheddert mit den Armen, kann ich aber gar nicht anders. Und nun ist das Jahr vorbei. Ich halte die gewohnte Geschwindigkeit auf und Dogsplace ist zwar zu 100% finanziert – aber es ist nicht fertig. Das macht mich fertig. Denn das war mein Ziel. Aber mein liebes Tierheim, wir konnten dir dennoch eine Menge schenken! Wir haben ein tolles, riesengroßes Kattby und eine große, artgerechte Auffangstation namens „Arche.“ Wir bauten soviel wie noch nie. Und ich bin noch immer nicht zufrieden, weil mein großer Traum namens Dogsplace noch nicht fertig ist. Zwar zu 95%, aber eben nicht fertig. Und zurzeit bin ich einfach müde und leer. Kann ich das hier überhaupt noch? Will ich dich und diese komische Beziehung mit dir überhaupt noch? Doch als die ersten Katzen den riesen Kletterturm in der Arche besteigen, als die scheuen Katzen vorsichtig durch Kattby laufen und sich in Ruhe einen Platz suchen, weit weg vom typischen Tierheimstress, dann sitze ich da mit den Jungs und Benny sagt: „Dafür!“ Ich rauche meine vielzuvielte Zigarette und denke: „ Ja! Dafür!“ Immer und immer wieder. Ich liebe die schlammigen Hosen, ich liebe die festgefahrenen Bagger im strömenden Regen und alle Menschen neben uns, die sagen: „Was soll das denn werden?“ Und die Menschen, die nachher sagen: „Boaah!“. Ich liebe es, dass wir es per Hand geschafft haben, über 3000 Gehwegplatten und damit über 700 Meter verlegt zu haben. Ich liebe es, an etwas zu glauben und es zu schaffen. Und vielleicht hat es eben seinen Grund, dass Dogsplace erst im Frühjahr fertig wird.
Es ist ja nie so gewesen, dass ich dich nicht mag…
„Ich freu mich auf 2015?“ – liebes Tierheim, nein. Ich tat es, aber nicht lange. Neben dem ganzen Umbauen gab es diese Not-Sitzung mit dem festen Team – Abends bei mir im Sommer zu Hause. Wir verschwanden etwas zu sehr aus der Öffentlichkeit. Das Sommerfest sollte eigentlich abgesagt werden. Doch die Vermittlungszahlen sanken. Die Spenden gingen zurück. Die Pflege im Tierheim war zu der Zeit ein wahnsinniger Aufwand, mit mehr als 300 Tieren, die hier waren. Als wir dort teilweise hart am Diskutieren waren, setzte sich durch: Wir machen ein Sommerfest: Trotz aller Probleme. In nur 4 Wochen? Klar! Und wir machen ein Tierheim Magazin? Klar! Und da liebes Tierheim, bleibe ich einfach verbissen und vor allem dumm. Ich arbeitete drei Wochen Tag und Nacht. Wenn man seine Freundin nur noch schlafend sieht, wenn man einmal am Tag auf sein Handy schaut und die Nachrichten und Anrufe sieht, mit Sätzen wie: „Kannst du dich zumindest mal zurück melden? Alles gut? Muss ich mir Sorgen machen? Ein kleines Lebenszeichen wäre schon irgendwie langsam mal nett?“… Dann kocht man sich den zehnten Kaffee nachts um drei Uhr und schwört sich: Morgen endlich, da melde ich mich. Doch drei Stunden Schlaf später wartet das Tierheim und dann ist es auch schon wieder drei Uhr Nachts. Dann endlich dieser Tag. Das Sommerfest: Das Magazin ist auf den letzten Drücker da. Eine riesige ehrenamtliche Mannschaft wartet. Eine kurze Ansprach vor dem Fest. Obligatorisch. Aber: Es regnet in Strömen. Seit Tagen bereits. Wir sind alle bis auf die Knochen aufgeweicht. Der Wind peitscht mir mit seinem Regen ins Gesicht, kurz bevor ich anfange zu sprechen: „Ich weiß, dass es nicht die besten Voraussetzungen sind, aber es ist mal wieder Wahnsinn, was wir alle trotz der Umstände geschaffen haben…“ Ehrlich gesagt, hatte ich eher das Gefühl, dass jeder Tropfen, der vom Himmel fiel, mir zeigte: Tja Dominic und heute eben nicht. Diesmal hast nicht auf die Signale gehört. Und dieses Mal geht es nach hinten los. Ein Sommerfest ist in dieser Größenordnung natürlich auch immer ein Risiko. Kommt keiner, wird es ein Minus. Ein Risiko, das man als Herrchen von 300 Tieren und 1400 Tieren jährlich eingeht, aber dessen negativen Konsequenz ich nicht aushalten könnte. In Gummistiefeln und durchnässten Klamotten drehe ich meine letzte Runde über das Gelände. Alle stehen so freudig an ihren Ständen und sind bereit für ein Sommerfest. Ich überlege mir schon eine motivierende Rede zum Abschluss, eine „ es war halt nicht viel los, aber es kann nicht immer klappen…“-Rede und dann liebes Tierheim, umarmst du mich. Sagst mir, setzt dich hin und genieße. Und die Besucher kamen. So viele wie noch nie. Trotz Wetter. Es war ein regelrechtes Chaos, weil es sooo viele Menschen waren. Und all die lieben Freunde, die schon Vermisstenmeldungen aufgaben, sind nicht nachtragend sondern alle da. Wir bekommen noch wochenlang Mails, wie toll dieser Tag war. Das es ein Tierheim Magazin wäre, dass alle anderen übertreffen würde. Wir konnten über 20 neue Paten für die Tierrettungsfonds durch das Magazin gewinnen. Ich kann das bis heute alles nicht glauben. Das es funktioniert hat. Das ich jubelnd bei der Abschlussrede stand. Ja, vielleicht war es genau richtig. Was die Besucher uns da gezeigt haben, welches Symbol sie für uns gesetzt haben, bei dem Wetter – unbeschreiblich.
Dann gab es da das Patentreffen des Tierrettungsfonds. Ihr steht alle vor mir. Ich versuche eine dieser „Worte kommen schon von alleine – Reden“ und bekomme eine zitterige Stimme… muss kurz inne halten, um wieder weiter zu reden. Ihr nutzt es und applaudiert. Ich habe eine große Ehrfrucht vor eurem Beitrag jeden Monat und eurem Vertrauen. Als ich Euch da vor mir sah, sah ich all die Geschichten. Ich sah die Momente, in denen wir nur dank Euch helfen konnten. Ich sah, wie großartig du bist – Tierheim Oldenburg. Weil so viele Menschen an dich glauben.
Und dann unser Lichterfest. Ich danke dir von ganzem Herzen liebes Tierheim, dass du uns diesen zauberhaften und schönen Nachmittag schenktest. Ich will da gar nicht mehr zu sagen, außer, dass ich dich genau dafür Liebe. Und eine Liebe ist eben – unbeschreiblich. Dieses Kribbeln, diese Wärme von dem kleinen Zeh bis über die Augenbraun. Auch das, kannst eben nur du.
Es ist ja nie so gewesen, dass ich dich nicht mag…
Ich könnte ganze Bücher über dich und die Gefühle schreiben. Jeden Monat.
Doch eine, mir ganz wichtige Sache, möchte ich dir mitteilen. Dieses Jahr hat mit den Menschen viel gemacht. Die Welt da draußen fühlt sich manchmal nicht mehr nach einem schönen Ort an. Sie macht einem oft Angst und man verliert den Glauben. Den Glauben an das Gute, an den Menschen. Viele Menschen geben ihrer Verbitterung gerade im Internet sehr viel Raum und bringen dadurch Andere zum Resignieren. Das ist ein komisches Bild. Denn natürlich streiten wir beide oft, wie dieser Brief an dich zeigt. Und ja, du bist nur ein Tierheim. Ein ganz kleiner Fleck, in einem ganz kleinen Ort auf dieser Welt. Etwas zu machen, von dem man selbst eigentlich am wenigsten hat, erfüllt mich aber bis heute am meisten. Und ich hoffe, liebes Tierheim, unsere Unterstützer empfinden das auch so. Denn jeder, der dir hilft, ohne einen Vorteil daraus zu ziehen, ist ein großartiger Mensch und wird hoffentlich sein Glück darin finden. Er gestaltet diese Welt so einmalig. Vielleicht sind wir alle manchmal gefühlt etwas alleine. Vielleicht kann ich auch vor Schmerzen manchmal nicht mehr auftreten, weil ich nicht auf mich aufgepasst habe. Aber du bist mein Lebensprojekt und in dieser, leider neuerdings häufig bedrückenden Welt, will ich nirgendwo anders sein, als hier bei dir, hier an diesem einmaligen kleinen Ort, mit meiner Überzeugung und ich will dafür kämpfen. Ich weiß auch oft nicht weiter. Aber vielleicht sagt man es dann einfach ehrlich. Vielleicht schreibt man ganz ehrlich, was Bobby mit mir machte. Vielleicht stottert man eben einfach vor den Paten und zeigt damit, der Weg ist nicht sicher und einfach. Und dann antwortet die Welt da draußen vielleicht ganz anders, als man es erwartet hat. Sie spendet dir Trost. Sie schreibt dir tolle Kommentare. Sie schenkt dir Tränen der Freude. Sie klatscht und zollt dir und deinem Team einen unbezahlbaren Respekt. Anstatt stark und radikal auf alles zu antworten. So weit weg von Verbitterung und Einsamkeit. So einfühlsam und unterstützend. Es ist beeindruckend, was es einem bringen kann, nicht immer nach dem ersten Gefühl zu urteilen sondern auch mal den Raum mit Gedanken zu füllen und auch viele neue Gedanken zuzulassen. Das hat mich sehr oft aufgefangen und mir neue Kraft geschenkt. Danke dafür.
Mit diesen ganzen lieben Menschen, mit den Kommentaren, die mir Trost schenken, als Bobby gehen muss, mit den Paten, den Gassigängern, mit den Massen, die auf unser Sommerfest kommen, mit den Lichterfestlern, den ganzen Spendern und Unterstützern, den Ehrenamtlichen, die uns zu Weihnachten nachts heimlich einen neuen Kühlschrank reinstellen, den tollen Menschen, die einem Tierheimtier ein neues Zuhause schenken … konnten wir am Ende den 1400 Tieren helfen und Geschichten dazu schreiben. Bobby musste nicht alleine sein, als er ging und auch ich musste nicht alleine sein, nachdem Bobby gegangen war. Das nur, weil alle zusammen halten. Immer wieder. Du bist in diesem Jahr einmal mehr so viel mehr als ein Tierheim. Du bist ein Beweis für das Gute. Und das zeigt mir, im sonst so heftigen Jahr 2015, ausgerecht ein Tierheim – klingt seltsam? Aber genau darum Baby: Es ist ja nie so gewesen, dass ich dich nicht mag… Ich Liebe dich – Auf ins nächste Abenteuer 2016 <3
Ich und unser Tierheim wünschen Dir, der sich selbstlos für etwas einsetzt – frohe Weihnachten und möchten Dir mitteilen: Verliere nicht den Glauben! Wir können dir berichten: Wir haben so viele tolle Menschen wie noch nie kennengelernt, wir haben soviel Liebe und Unterstützung erlebt, wie noch nie, wir hatten auch viele Aufgaben – und die haben wir durch Zusammenhalt und dank DIR gemeistert. Das ist großartig. Es sind 1400 Geschichten von unseren Tieren, die wir alle gemeinsam geschrieben haben – weil DU den Glauben nicht verloren hast – weil es eben mehr gute als böse Menschen gibt. Solange DU dabei bist. Danke auch an unsere Mamas, Papas und tollen treuen Freunde im Hintergrund, dank denen dieser Motor in uns wohnt, die uns prägten und die uns bis heute unterstützen. Wir wünschen Euch ein friedvolles Jahr 2016 und viel Kraft für die Aufgaben, die kommen mögen.
Eure Crew, seine 216 Bewohner und seine 1306 ehemaligen aus dem Jahr 2016 – Wahnsinn <3
Und wenn ihr uns unbedingt noch weiter unterstützen wollt, dann ist das eben so. IBAN: DE35 2802 0050 2181 9404 01 – BIC:OLB ODEH 2XXX – oder dirket HIER – PayPal und so…
Passt auf Euch auf und seid gut zueinander! Liebe <3